Namenspatron - Wellington


Sir Arthur Wellesly Herzog von Wellington

„Vor wenigen Wochen jährte sich die Verleihung des Großkreuzes des Militär-Maria-Theresien - Ordens an einen tapferen Offizier zum 180. Male und die Verleihung der Würde eines österreichischen Feldmarschalls zum 175. Male.

Eigentlich wären diese Ereignisse nichts Außergewöhnliches während und in den ersten Jahren nach den Napoleonischen Kriegen gewesen, wenn nicht dieser Offizier Engländer gewesen wäre und Arthur Wellesly, Herzog von Wellington geheißen hätte.

Die Wahl des Jahrgangsnamen ist wohl bei manchen mit Überraschung und Verwunderung aufgenommen worden und vielleicht da und dort auf Ablehnung gestoßen. Der vielleicht bislang ungewohnte Vorgang mag auch zu der berechtigten Frage geführt haben, wieweit denn der Herzog von Wellington mit der österreichischen Militärgeschichte in Verbindung gebracht werden kann und wie eng denn tatsächlich seine Verbindung zu Österreich war. Wie so oft muss man sich einen Menschen schon sehr stark annähern, um aus seiner Biographie auf die eigenen Fragestellungen die gewünschte Antwort zu bekommen.

Dem 1769 – also im selben Jahr wie Napoleon – in Irland geborenen Arthur Mornington, Earl of Wellesly war nach seiner Erziehung auf der Eliteschule ETON das Einschlagen einer militärischen Laufbahn ein Herzenswunsch. Seine musikalische Begabung und die Liebe zu den Kompositionen W. A. Mozarts gingen ihm aller- dings nie verloren. Der Besuch der Militärschule in Angers in Frankreich noch vor der großen Revolution und die Förderung durch seinen Bruder William ermöglichte es ihm, sich im März 1787 eine Offiziersstelle im 73. Higland Regiment zu kaufen. Selten dürften sich 400 Pfund als so rentabel erwiesen haben – nicht nur für England, sondern auch für des- sen Verbündete während der nächsten Jahrzehnte.

Der Stellenkauf – in allen europäischen Armeen des 18. Jahrhunderts gebräuchlich und durchaus nicht ehrenrührig – brachte den Kleinadel und sehr selten auch ambitionierte Bürgerliche in die Armee. Mit finanzieller Unterstützung seines Bruders stieg er – allerdings auch durch seine nüchterne Intelligenz und natürliche militärische Begabung – bereits Ende September 1793 zum Oberstleut- nant und Kommandanten des 33. Infanterieregiments auf. Mit seinem Regiment kämpfte er an der Seite österreichischer Truppen in den österreichischen Niederlanden gegen die Massenaufgebote des französischen Revolutionsheers. Wellington sagte später, hier hätte er immerhin etwas gelernt, nämlich: „how not to wage war“. Dieses Erkennen, wie man einen Krieg verliert, sollte ihm eigentlich alle militärischen Erfolge in den nächsten 22 Jahren ermöglichen. Die Tapferkeit seines Regiments konnte sich in einem Feldzug nicht auswirken, in dem die wesentlichsten Führungsgrundsätze ständig verletzt wurden: Klares Ziel, Einheit der Führung, ausreichende Kräfte für die Auftragserfüllung, Beweglichkeit und Feuerkraft der eigenen Verbände. Die mangelnde Kommunikation zwischen dem österreichischen Feldmarschall Clerfayt und dem Duke of York tat ein Übriges, um alle Bemühungen der Alliierten, gegen die Massen der französischen Revolutionsheere zu siegen, zum Scheitern zu bringen. Wohl war es Wellesley zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, dass er knapp 20 Jahre später wieder im selben Raum kämpfen würde – diesmal als Oberkommandierender britischer, hannoveraner und niederländischer Truppen. Etwas, was Wellesley schon 1793 erkannt hatte, wird auch heute immer wieder von britischen Militärhistorikern bestätigt: Die österreichischen Soldaten konnten, wenn sie auf Operativer Ebene geführt wurden, überragende Leistungen erbringen – die Persönlichkeit Erzherzog Karls und die Kämpfe im Jahre 1809 sind ein gutes Beispiel dafür.

Aus zeitlichen Gründen kann hier nicht auf Wellesleys Zeit in Indien zwischen 1789 und 1804 eingegangen werden, wobei aber doch zu erwähnen ist, dass er als militärischer Arm seines Bruders, der Generalgouverneur von Bengalen geworden war, große militärische Erfolge gegen die mit französischen Truppen in Indien verbündete Heere indischer Fürsten erzielte. Napoleons alter Traum, Indien zu erobern, machte auch den indischen Subkontinent zu Kriegsschauplatz. Wellesley lernte in diesen Jahren fremde Kulturen kennen und zeigte sich als tolerant und aufgeschlossen. Zu die- sem Zeitpunkt war sein größter militärischer Gegenspieler, Napoleon, bereits dabei seine Vorherrschaft über das kontinentale Europa zu vollenden. Während Osterreich und Rußland im Herbst 1805 katastrophale Niederlagen hinnehmen musste, konnte England seine Seeherrschaft immer weiter ausbauen – ein Aspekt, der für Wellesley und seinen Feldzug auf der Iberischen Halbinsel lebenswichtig werden sollte. Preußen war inzwischen vollständig von den Franzosen niedergeworfen worden, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war zerbrochen. Nichts schien Napoleon und seine kampferprobten Armeen, von tapferen und maßlos ehrgeizigen jungen Marschällen geführt, die die Herrschaft über immer mehr europäische Länder gewannen, aufhalten zu können. Wohlbekannt ist sicherlich die Tatsache, dass die Mitglieder der Familie Napoleons als Herrscher von zahlreichen unterworfenen Territorien eingesetzt wurden. Wellingtons Einsatz gegen die dänischen Streitkräfte im Jahre 1807 zeigt die Professionalität eines Offiziers einer kriegserprobten Berufsarmee, der in diesem Feldzug gegen das „de jure“ neutrale Land einen Sieg mit bitterem Beigeschmack errang. Dass Napoleon den Dänen die Bedingung der Auslieferung der starken Flotte gestellt hatte, sei hier als politisch interessantes Detail erwähnt.

Inzwischen – im Jahre 1808 – war auch die französische Besetzung eines großen Teils von Portugal und Spanien abgeschlossen. Nach der raschen Zerschlagung der meisten Verbände der spanischen Armee sahen sich die Franzosen mit einem täglich intensiver werdenden Kleinkrieg – der „Guerilla“ – seitens großer Teile der spanischen Zivilbevölkerung konfrontiert, in den nun wieder britische Truppen eingriffen. Im April 1809 landet Wellesley mit 23.000 Mann in Lissabon. Bedenkt man, dass Napoleon auch während eines Feldzuges an der Donau insgesamt 325.000 Mann gegen spanische Guerillas, britische und portugisische Truppen einsetzen musste, so bekommt die Beurteilung des Kräftekalküls im wohlbekannten Krieg Österreichs im Jahre 1809 ein anderes Gewicht. Obwohl Wellesley am 28. Juli 1809 bei Talavera einen beachtlichen Sieg über die französischen Truppen errang, die ihm die Ernennung zum Lord Wellington einbrachte, hatte Napoleon in diesem Jahr seine strategische Position in fast ganz Europa verbessern können.

Wellingtins Feldzug in Spanien war in den folgenden Jahren im Wesentlichen eine Kette von taktischen und operativen Erfolgen, die den Franzosen klarmachten, dass sie es hier mit einem Gegner zu tun hatten, der mit Ruhe und Willensstärke mit seinen Generälen wie z.B. Picton und Hill die Aufgabe löste eine Armee von rund 50.000 Mann in einem Land zu versorgen, in dem es nicht allzu viel zu requirieren gab. Die Royal Navy setzte monatlich etwa 250 Transportschiffe ein, um den Nachschub für die Truppen auf der Iberischen Halbinsel zu sichern.

Greifen wir aus den Kämpfen in Spanien nur ein Beispiel heraus, um Wellingtons Charakter besser verstehen zu können. Am 6. April 1812 nahmen die britischen Verbände die Festungsstadt Badajoz ohne Unterstützung durch schwere Belagerungsartillerie und Pioniere im Sturm ein. Die französische Besatzung kämpfte fast bis zum letzten Mann. Die britischen Verluste betrugen nahezu 6.000 Mann, Wellington stand am Abend des Tages weinend auf dem Schlachtfeld. Ja, der spätere „Eiserne Herzog“ konnte weinen – nicht nur über die große Anzahl eigener getöteter und verwundeter Soldaten, sondern auch über die Taten jener britischen Soldaten, die nun plündernd, mordend und vergewaltigend in der eroberten Stadt marodierten. Innerhalb von Stunden wurde auf Befehl Wellingtons die Ordnung und Disziplin mit härtesten kriegsrechtlichen Maßnahmen wieder hergestellt. Der Krieg zeigt also auch hier seine hässliche Fratze. Das von Franzisco Goya im August 1812 geschaffene Portrait Wellingtons zeigt uns ein hageres, blasses Antlitz mit fiebrigen Augen, das von den Feldzügen und Strapazen der letzten Jahre gezeichnet ist.

Bereits eineinhalb Jahre später war Spanien fast zur Gänze befreit. Die französischen Armeen unter Marschall Soult und Marmont hatten sich fluchtartig aus Asturien zurückziehen und bei Vitoria am 21. Juni 1813 eine erneute schwere Niederlage hinnehmen müssen. Dieser erneute militärische Erfolg führte zur Beförderung Wellingtons zum britischen Feldmarschall im August. Ludwig van Beethoven komponierte darauf hin sein op. 91, die Sinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vitoria“, die am 8. Dezember 1813 unter großer Begeisterung des Publikums in WIEN erstmals gespielt wurde. Zwei Tage später verlieh Kaiser Franz I. Wellington das Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens, wodurch der im Jahre 1809 wohl einzige Waffengefährte der österreichischen Armee und auch jener Feldherr ausgezeichnet wurde, der im Befreiungskrieg in Deutschland während des ganzen Jahres 1813 beträchtliche Kräfte des Gegners gebunden hatte.

Die britischen Truppen drangen nun immer weiter nach Südfrankreich vor, wo sie am 10. April 1814 nochmals über die Franzosen siegten. Die Ernennung zum Herzog von Wellington war eine Anerkennung der Leistung des Feldherrn, der seine Truppen seit mehr als fünf Jahren von Sieg zu Sieg geführt hatte.

Ende März 1814 brach auch Napoleons Herrschaft in Frankreich zusammen. Er musste abdanken und von Elba aus der Schaffung einer neuen europäischen Friedensordnung zusehen. Wellington befand sich im Winter 1814/15 als Vertretung für den britische Außenminister Castlereagh auf dem Wiener Kongress. Es waren ihm aber nur wenige Wochen in dieser Stadt beschieden, denn in den ersten Apriltagen 1815 gellte die Schreckensnachricht durch die europäischen Hauptstädte, dass Napoleon in Nizza gelandet wäre und sich ihm auf seinem Marsch nach Paris beträchtliche Teile der französischen Armee angeschlossen hätten. Wellington wurde nun Kommandeur der britisch-hannoveraner-niederländischen Truppen in den Niederlanden. Mitte Juni rückte Napoleon bereits mit mehr als 130.000 Mann nach Brüssel vor, in der Hoffnung erst den zahlenmäßig schwächsten Gegner im Norden zu schlagen, um sich dann gegen Preußen und Österreicher zu wenden. Nach den Schlachten bei Quatre Bras und Ligny am 16. Juni, wo es ihm gelungen war die Vereinigung von Wellingtons Armee und den preußischen Verbänden unter Feldmarschall Blücher noch zu verhindern, kam es am 18. Juni zur blutigen Frontalschlacht südlich von Waterloo, die beiden Seiten innerhalb von acht Stunden enorme Verluste kostete, bis das Eingreifen preußischer Verbände am Abend die Entscheidung brachte. Wellingtons überragende Rolle dabei, wenn auch im Zu- sammenwirken mit Blücher, dem er zufällig bei der Schenke mit dem klingenden Namen „Belle Alliance“ die Hand reichen konnte, ist hier noch einmal festzuhalten. Ein weiterer Charakterzug des „Offiziers und Gentleman“ wird in seiner Reaktion ersichtlich, als ihn General Müffling, der preußische Verbindungsoffizier in seinem Stab, vorschlug, Napoleon nach seiner Gefangennahme erschießen zu lassen. „Eine solche Tat wird unseren Namen immer mit einem Verbrechen verbinden und die Nachwelt wird uns nicht mehr als Sieger über Napoleon bezeichnen. Überdies wäre eine solche Tat sinn- und zwecklos.“ Dies und nicht mehr hat Wellington erwidert.

Von vielen Zeitgenossen wird Wellington als autoritär beschrieben. Er selbst sagt aber: „Ich möchte Menschen überzeugen, als nur auf meine Autorität zu pochen.“ Vernünftigen Argumenten, mit denen er konfrontiert wurde, war er zugänglich und bezog deren Inhalt in seine Entschlüsse ein. Belohnungen und Anerkennung für Tapferkeit und untadeliges Benehmen standen immer wieder Strafen und Ablösungen gegenüber.

Ein weiteres Zitat soll über seine Einstellung zu Leistung und Karriere Aufschluss geben: „Ich kann das Prinzip nicht verstehen, wonach Männer aufgrund ihrer adeligen Herkunft, ihres beträchtlichen Vermögens und ihrer politischen Verbindungen in diesem Land Beförderungen beanspruchen, die weder durch militärische Leistung oder charakterliche Eignung gerechtfertigt sind, während andere mit hohen Verdiensten diese wohl verdienen würden, aber nicht zugesprochen bekommen. Der einzige Grundsatz sollte für die Armee die militärische Leistung sein – obwohl ich befürchte, dass sich dieser Grundsatz in keiner militärischen Institution jemals völlig durchsetzen lassen wird.“

Wieder begegnen wir hier modernen Führungsgrundsätzen und Elementen der Menschenführung, deren Regeln angeblich erst in den späten fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts erfunden worden sind.

Als Premierminister in den Jahren 1829/31 musste er auch mit seiner Zähigkeit an einer Aufgabe scheitern, die auch viele seiner Nachfolger nicht lösen konnten. Sein „Tolerance Act“ zur gerechten Beteiligung der Katholiken an den politischen Ämtern in Irland führte in London zu so schweren Unruhen, dass sogar sein Haus unter Polizeischutz gestellt werden musste.

Bis zu seinem Tod am 14. September 1852 in Walmer Castle geistig rege, hatte er sich mit politischen und militärischen Problemen beschäftigt und warnte immer wieder vor der Gefährdung des Friedens in Europa durch Hegemonialbestrebungen einer Großmacht. Am deutlichsten hat er
– wie Feldmarschall Radetzky – in den vierziger Jahren immer wieder Rußland angesprochen.

Als Waffengefährte – „Brothers in Arms“ – der österreichischen Streitkräfte, als – seit 1818 – österreichischer Feldmarschall und Inhaber des k.k. Infanterieregiments Nr. 42 auf Lebzeit hat er eine wesentliche Beziehung zur österreichischen Militärgeschichte. Sein Leben war genauso wie jenes von Erzherzog Karl durch die politischen Umwälzungen des Jahres 1789 geprägt.

Lassen Sie mich noch zu einigen sehr persönlichen Gedanken zur Person Wellingtons kommen. Bei aller Liebe zu unserem Land, seinen Eigenheiten und beim Bekenntnis zu seiner wechselvollen Geschichte sollten wir nie die austrozentrische Geschichtsbetrachtung übertreiben und damit unseren Horizont freiwillig einengen. Das ehrenvolle Gedenken an einen großen Verbündeten Österreichs und eine bedeutende Persönlichkeit ist durch die Wahl des Jahrgangsnamens ein, so glaube ich, wichtiger Beitrag zu einer Orientierung zu einer Gedankenwelt und Werten, die eben nicht dem berüchtigten „Zeitgeist“ unterliegen. Den Herren des Jahrganges „Wellington“ möchte ich aber in ihrem militärischen Werdegang die Kompetenz, die überlegene stoische Ruhe und vor allem das Soldatenglück des „Eisernen Herzogs“ wünschen.

Laudatio von Dr. Wolfgang Etschmann.