Feldmarschall Josef Graf Radetzky von Radetz
Feldmarschall Josef Graf Radetzky von Radetz, der am 2. November 1766 zu Schloss Trebnic das Licht der Welt erblickte, entstammte einer alten böhmischen Adelsfamilie. Gemeinsame Ahnenverbindungen mit Wallenstein, Kaunitz und dem Verteidiger von Wien bei der ersten Türkenbelagerung, Nikolaus Graf von Salm, sind ein Kennzeichen seiner Familie. Mittellos trat er 1784 als Kadett in ein Kürassierregiment ein und nahm am letzten Türkenkrieg 1788/89 unter Laudon teil.
Der Krieg gegen das revolutionäre Frankreich und gegen Napoleon riss ihn fast durch 17 Jahre in ununterbrochene Kampfbegebenheiten. Dabei sah der Kriegsschauplatz in Italien, auf dem er später so hohen Ruhm erwerben sollte, seine ersten großen Leistungen. In der Schlacht von Novi am 15. August 1799 erwarb er als Oberst das Ritterkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens.
1805 wäre er beinahe als Generalstabschef für eine geplante militärische Landung in Frankreich in Frage gekommen. In den folgenden Kriegen zeichnete er sich als Truppenführer und Stabschef aus und wurde nach der unglücklichen Schlacht von Wagram Chef des Generalquartiermeisterstabs (Generalstab). Seine Vorbereitungsarbeiten, vor allem auch die Aufmerksamkeit, die er der militärischen Landesbeschreibung und kriegsgeschichtlichen Forschung widmete, bewährten sich 1813. Als Stabschef der verbündeten Armeen war er der eigentliche Planer der Entscheidungsschlacht bei Leipzig vom 16. - 19. Oktober 1813, um dann im Verlauf des weiteren Feldzuges gegen Napoleon plötzlich kaltgestellt zu werden.
Als Festungskommandant hatte der zum General der Kavallerie Beförderte Zeit, Denkschriften, Dienstvorschriften und Manöverinstruktionen zu verfassen, deren praktische Auswirkung sich bald zeigen sollte.
Kaiser Franz I. entschied 1831, als der Posten eines kommandierenden Generals im lombardo-venezianischen Königreich frei wurde, für Radetzky, der gemäß einer Intuition des Herrschers „die Armee in Italien aufzuwecken und für den Krieg vorzubereiten” hatte. Die steigende re- volutionäre Propaganda, die Folgen der Julirevolte von PARIS und die nationalen Einigungsbestrebungen, setzten die österreichische Verwaltung in Lombardo-Venezien trotz ihrer hohen Leistungen auf kulturellem und technischem Gebiet immer häufigeren Angriffen aus. Die Truppe musste daher durch Übungen zusammengehalten werden und die Manöverinstruktionen des am 17. September 1836 zum Feldmarschall ernannten Radetzky waren die geistige Grundlage seiner Reformen. Seine Persönlichkeit prägte die Gemeinschaft des Offizierskorps, das durch das kameradschaftliche Du-Wort mit dem Marschall verbunden war. Die Kriegsvorsorgen bezogen sich nicht nur auf die jährlichen feldmäßigen Manöver, die international Aufsehen erregten, sondern auch auf umfangreiche Befestigungsanlagen, die sich vor allem im so genannten Festungsviereck von Verona, Mantua, Legnano und Peschiera bewähren sollten. Auch der gerade beginnende Eisenbahnbau unter Alois von Negrelli wurde durch Radetzky unter Bezugnahme auf die militärischen Notwendigkeiten forciert, ebenso die Ausrüstung der Truppen mit den modernsten der damaligen Waffen, den berühmten Raketenbatterien.
Seinen warnenden Berichten wurde in Wien nicht eher Gehör geschenkt, bis im März 1848 in Mailand die Revolution aus brach und der Marschall nach Räumung der Stadt, deren Beschießung er unter keinen Umständen auf sein Gewissen nehmen wollte, sich zunächst vor den piemontesischen Streitkräften zurückzog. Im Armeebefehl vom 3. April hieß es „aus höheren Rücksichten der Kriegskunst bin ich als General gewichen, nicht ihr. Bald werde ich euch vorwärts führen.”
Abgeschnitten vom Hinterland gelang es ihm durch die Schlachten von Santa Lucia, 6. Mai, und Vicenza, 10. Juni, die Piemontesen und deren Freiwilligentruppen zu schlagen und am 25. Juli bei Custoza dem Gegner eine vernichtende Niederlage beizubringen. 137 Tage nach dem Ausmarsch kehrte er an der Spitze seiner Truppen nach Mailand zurück. Das Großkreuz des Militär-Maria-Theresien- Ordens war der Lohn für diesen Siegeszug, der das Selbstbewusstsein der Armee und des Staates stärkte. „In deinem Lager ist Österreich”, so hat Grillparzer Radetzky besungen. Aber noch brachte ein Waffenstillstand nicht das Ende der Feindseligkeiten. Am 12. März 1849 kün- digte Piemont denselben, um wohl vorbereitet in einem Feldzug von nur 100 Stunden in der Schlacht von Novara von Radetzky geschlagen zu werden.
Nach dem Waffenstillstand vom 23. März musste König Karl Albert abdanken. Radetzky hat damals keine Demütigung seines Sohnes, des Königs Viktor Emanuel II., vorgenommen, sondern erhoffte sich ein gutes Verhältnis zum ehemaligen Gegner. Dem Sieger wurden Ehren zuteil wie selten einem Feldmarschall. Der Orden des Goldenen Vlieses, die Ernennung zum Marschall der russischen Armee, die berühmte, von Grillparzer verfasste Ehrenbürgerurkunde der Stadt Wien sind nur einzelne Bezeugungen der Dankbarkeit. Gegenüber seinen Soldaten und seinen Mitarbeitern war Radetzky großzügig in Lob und Auszeichnung. Am 13. September in Wien von dem neuen Herrscher Kaiser Franz Joseph I., der unter dem Marschall 1848 seine Feuertaufe empfangen hatte, als Retter des Vaterlandes begrüßt, wurde er Militärgouverneur im lombardo-venezianischen Königreich. Allerdings konnte er nicht all zulange in Mailand residieren, denn
1850 sollte er ein Oberkommando gegen Preussen übernehmen, wogegen er sich sträubte. 1856 musste Kaiser Franz Joseph die militärische Verwaltung des Königreiches teilweise zivilen Händen übergeben und am 26. Feber 1857 erfolgte der Eintritt des Marschalls in den Ruhestand. Mit höchsten Ehrungen versehen, darunter mit dem Recht, in jeder kaiserlichen Residenz Wohnung nehmen zu können, verabschiedete er sich in einem Armeebefehl vom 8. März 1857 nach einer Dienstzeit von 72 Jahren von seinen Truppen. Nur zwei Jahre konnte er noch in seiner geliebten zweiten Heimat in Oberitalien verbringen, bis er am 5. Januar 1858 in Mailand starb.
Das Begräbnis eines Souveräns wurde ihm in Mailand und in Wien zuteil, wo die Leiche im neu erbauten Arsenal aufgebahrt wurde und der Kaiser persönlich den Trauerkondukt kommandierte.
Auf Grund einer testamentarischen Verfügung wurde der Leichnam Radetzky auf dem Gut des ihm verbundenen Armeelieferanten Parkfrieder auf dem Heldenberg bei Wetzdorf beigesetzt. So ruht der Feldmarschall inmitten des ursprünglichen Kerngebietes der österreichischen Staatsbildung, aber auch am Grenzsaum der böhmischen Heimat.
In einem seiner Notizbücher schrieb Feldmarschall Conrad von Hötzendorf nach dem Ersten Weltkrieg über Radetzky:
„Radetzky, der noch immer nicht erkannte und gewürdigte, feurige, tollkühne, junge Offizier, der in unzähligen Kriegsjahren stets bewährte General, der weise Ratgeber als Chef des Generalstabs in den Befreiungskriegen, der Feldherr, der – vergöttert von seinen Soldaten, die ihn nur den „Vater Radezky“ nannten –, sich noch am Ende seines Lebens den Siegeslorbeer um die greise Stirne winden durfte”.
o. Univ.-Professor Dr. Ludwig Jedlicka
Leutnant d. Res. |