Prinz Eugen von Savoyen-Carignan
Es war eine unruhige Zeit, in die Eugen hineingeboren wurde. Das Paris des 18. Oktober 1663 steht wohl Dank der geschickten Politik des Ministers Colbert inmitten eines zu neuem Wohlstand gelangten Reiches, aber di Machtgelüste des Bourbonen-Königs, des osmanischen Herrschers, der Reichsfürsten und Grafen halten Europa in Atem. Noch ist der 30jährige Krieg nicht vergessen, werden schon wieder die Kriegstrommeln gerührt. Als Prinz Eugen von Savoyen vor 300 Jahren geboren wird, steht kein Stern des Friedens über seiner Wiege. Sein Vater ist echter Franzose, Graf von Soisson, der aber nicht zu den Günstlingen Ludwigs zählt. Eugen ist das fünfte Kind seiner Eltern. Von Geburt an ist er schwächlich und klein, die Natur spielt den ehrgeizigen Plänen seiner italienischen Mutter einen argen Streich. Und so wird Eugen in ein Internat gesteckt. Taugt er nicht zum Feldherrn, soll er die Karriere eines Würdenträgers der katholischen Kirche einschlagen. Aber der junge Eugenio von Savoy hat mehr Vertrauen zu sich selbst, als die anderen. Noch nicht zwanzigjährig, zieht er die Soutane wieder aus und stellt sich dem Sonnenkönig.
„Majestät, ich bitte um eine Kompanie.” Ludwig ist verblüfft, als er den Prinzen vor sich sieht. Was, dieser schmächtige Mensch will eine Kompanie befehligen? Wie stellt sich der den Soldatenberuf vor? Der Bourbone lehnt kalt ab. „Frankreich braucht Feldherren und keine Kretins!” Eines Tages wird der Sonnenkönig diesen Satz bereuen. Eugenio ist verbittert. Er will beweisen, dass ihn die Natur nicht benachteiligt hat. Er wird beweisen, dass er ein Mann, ein echter Soldat ist. Er wird beweisen, dass Mut und Ausdauer, Härte und Scharfsinn nicht von der Körperge- stalt abhängen. Wenige Wochen später reist Eugen nach Wien ab. Mit Kaiser Leopold ist er entfernt verwandt, aber das hat nichts zu bedeuten. Gerade schaut er dem Habsburgerkaiser in die Augen, offen trägt er seine Bitte vor: „Majestät, ich möchte Soldat werden.” Welch ein Unterschied zwischen dem französischen Heer und den undisziplinierten Söldnerhaufen der österreichisch-spanischen Erblande. Welch ein Unterschied zwischen den gut verpflegten Franzosen und den vernachlässigten Österreichern. Ein Mann, der in eine solch zerrüttete Armee eintreten will, muss ehrgeizig sein. Und die Zeiten der nationalistischen Vorurteile kennt man noch nicht. Leopold willigt ein. Eugen ist nicht nur ehrgeizig, er ist auch tapfer. Man schreibt den August anno 1683, als Eugen als Ordonnanzoffizier in die kaiserliche Armee eintritt. Am 12. September, einen Monat später, kämpft er bereits in der Befreiungsschlacht um Wien, die der zweiten Türkenbelagerung ein jähes Ende bereitet. Leopold ist mit dem jungen Eugenio zufrieden. Noch im gleichen Jahr überträgt ihm der Kaiser das Dragonerregiment „Graf Kufstein”.
Mit 20 Jahren ist der Prinz damit der jüngste Regimentskommandant der ganzen Monarchie. Das Regiment wird den Namen „Prinz Eugen” bis 1918, mehr als 200 Jahre lang, tragen. Dies bleibt er nicht lange. Zwei Jahre später ist er der jüngste Brigadekommandant. Wieder drei Jahre später ist er Feldmarschalleutnant, zwei Jahre später General der Kavallerie und nach noch drei Jahren Feldmarschall. Das kommt nicht von ungefähr. Er hat die ersten schweren Feldzugsjahre gegen die Türkei und in Italien hinter sich gebracht, ist zum ersten Mal schwer verwundet worden. An der erdrückenden Übermacht der Italiener und Franzosen hat Eugen erkannt, was es heißt, hart zu sein, durch persönlichen Einsatz das ersetzen zu müssen, was leichtfertige Politik vernachlässigt hat. Hier hat Eugen auch zum ersten Mal erkannt, wie gefährlich es ist, einen leeren Staatssäckel auf Kosten der Armee auffüllen zu wollen. Der Prinz wusste sich oft nicht anders zu helfen, als die Soldaten selbst zu bezahlen, aus eigener Tasche die zu verpflegen, die ihm treu zur Seite standen, wenn die modernen Geschütze der Franzosen Tod und Teufel spien. Mit 34 Jahren erhält der Prinz den Oberfehl in Ungarn, wenige Wochen später vernichtet er bei Zenta das türkische Heer bis auf 2000 Mann. Von diesem Tag an ist der Ruf des Prinzen als Feldherr gefestigt, dringt über alle Grenzen, bringt den Sonnenkönig ebenso zum erzittern, wie den Herrscher unter dem Halbmond. Eugen schreitet von Schlachtfeld zu Schlachtfeld und heftet einen Sieg nach dem andern an seine Fahnen, an die Fahne Österreichs. Eugens phänomenaler Triumphzug beruht nicht nur auf seinem persönlichen Mut, auf der Kühnheit seiner Entschlüsse und deren schnelles Umsetzen in die Tat. Das Geheimnis seiner Siege hat vor allem zwei Ursachen: Seine Verbundenheit mit dem einfachen Soldaten und seine neue Kriegstaktik.
Als er 1703 Präsident des Hofkriegsrates wird, ist seine erste Handlung eine Reform des Finanz- und Verwaltungsapparates der Armee. Eine echte Reorganisation gelingt ihm allerdings erst unter Kaiser Joseph I. 1707 wird Prinz Eugen Generalleutnant und Feldmarschall des Kaisers und des Heiligen Römischen Reiches. Damit ist er mit 44 Jahren der erste, der alle oberen Würden in einer Person vereinigt. Obwohl Eugen immer öfter für diplomatische Missionen herangezogen wird, bleibt er den Kriegsschauplätzen nicht fern. Der Sieg bei Malborgeth feiert ihn als den größten Feldherrn des Jahrhunderts, bei Peter Wardein siegt er gegen eine dreifache Überlegenheit des Gegners, und die zweite Eroberung Belgrads lässt das Soldatenlied entstehen, in dem Prinz Eugenius über alle Zeiten hinweg fortlebt. Als Eugenio von Savoy am 21. April 1736 stirbt, hat Europa einen der größten Staatsmänner verloren. Selten findet man einen Menschen, der strategisches Können und politische Einsicht mit kulturellem Empfinden verbindet. Schlösser bauen kann jeder, der das Geld hat; Fischer von Erlach und Hildebrandt wären auch ohne den Prinzen von Savoyen vollbeschäftigt gewesen. Aber gerade das ist es, was Prinz Eugen über alle anderen Großen Österreichs hinaus- hob: Jene typisch österreichische Doppelsendung zu erfüllen, als Kulturpionier und als Bewahrer eines europäischen Friedens mit der Waffe in der Hand. |