Namenspatron - Kolin


Die Schlacht bei Kolin

Unweit des Städtchens Kolin, auf dem Ortsgebiet von Krechor, leuchtet an der Spitze eines Denkmals ein vergoldeter Doppeladler, weithin gut sichtbar. Noch vor wenigen Jahren war es durch die politischen Strukturen mit einigem Aufwand und mitunter erheblichen Schwierigkeiten verbunden, historische Stätten in unserem Nachbarland im Norden zu besuchen. Knapp 60 km ostwärts von Prag und 200 km nordwestlich von Wien liegt das Städtchen Kolin an der Elbe und es wäre, hätte es die berühmte Schlacht nicht gegeben, auch dem historisch Interessierten nicht geläufiger als die Orte Kaurim, Sadska und Podebrad, die nicht weit entfernt liegen. Bei der Nennung des Ortsnamens Königgrätz, ebenfalls kaum mehr als 60 km von Kolin entfernt, werden auch Erinnerungen an eine Tragödie wach, die mehr als 100 Jahre später stattfand. Die militärische Bedeutung des böhmischen Raumes lässt sich jahrhunderte lang in der österreichischen Militärgeschichte leicht nachweisen. Nicht nur der Geburtstag der Monarchie konnte gefeiert werden, wie Maria Theresia einmal formulierte, sondern auch die Stiftung der höchsten Tapferkeitsauszeichnung der Monarchie für Offiziere ist eine Folge der Schlacht bei Kolin. Jedem Offizier, dem hohen und dem niedrigen Rang, sollte der Orden verliehen werden können - und das vielleicht eine sehr frühe Form des Gedankengutes der Aufklärung. Herkunft und Religionsbekenntnis sollten in der Bewertung der „herzhaften (tapferen) Tat“ keine Rolle spielen. 20 Großkreuze - „für ersprießliche Ratschläge“ - wie es so schön heißt, und 164 Kleinkreuze wurden bis zum Tode der großen Frau, die österreichische Heeres- und wohl auch Verwaltungs- und Kulturgeschichte Österreichs bis in die heutigen Tage mit beeinflusst hat, verliehen. Wie sehr die Geschichte des Ordens bis heute und damit auf die Traditionspflege des Bundesheeres wirkt, lässt sich daran ermessen, dass der letzte Besitzer, Gottfried Freiherr von Banfield, erst 1986 in Triest verstorben ist und es auch dem zuletzt ausgemusterten Jahrgang der Theresianischen Militärakademie, der den Namen Banfield gewählt hatte, am Herzen lag, hier eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen. Wo könnte für uns heute eine Anknüpfung liegen? Eine noch zwanzig Jahre vor der Schlacht von Kolin, also am Ende der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts, als desolat zu bezeichnende Armee hatte in wenigen Jahren einen bedeutenden Aufschwung genommen.

Gegen das modernste Kriegsinstrument Europas, die preußische Armee mit über 100.000 gedrillten Soldaten, waren in den beiden schlesischen Kriegen keine großen Erfolge zu erzielen gewesen. Erst
1757 war ein neuer Markierungspunkt. Der Sieg von Kolin, der vielleicht auch den wohl vorsichtig operierenden Feldmarschall Daun überrascht haben mag, war keine Selbstverständlichkeit und erst das Ergebnis einer erfolgreichen Reformpolitik, die bereits seit etwa fünfzehn Jahren betrieben wurde. Das Königreich Preußen als Militär- und Wirtschafts- macht war durch die Annexion Schlesiens noch stärker geworden. Mehr als 150.000 Mann konnte Preußen 1756 nun ins Feld stellen. Von einem realistischen Bedrohungsbild ausgehend, musste man erkennen, dass Preußen ein zentralistisch und straff verwalteter Staat war, der mehr als die Hälfte seiner Staatseinnahmen für das Heer ausgab. Die schrittweise zivile Verwaltungsreform, die Neuordnung der staatlichen Verwaltung, die Zurückdrängung der Macht der Stände sowie die Zentralisierung von Finanz- und Außenpolitik gingen nun auch in Österreich parallel mit einer Straffung der Militärverwaltung. Widerspenstige Länder weigerten sich lange, ihren Beitrag zur Landesverteidigung zu leisten, aber nach 1750 waren die meisten Fragen gelöst oder in der Endphase der Neuregelung. Ungarn stellte nun nicht nur ein Aufgebot, sondern auch reguläre Infanterieregimenter. Die Truppen aus dem Bereich der Militärgrenze (11 Regimenter) sollten durch eine kluge Verwaltung bald zu den besten Verbänden der Habsburger-Monarchie, vor allem im Kleinkrieg zählen. Aber auch die anderen Armeen wurden einschneidenden Reformen unterworfen. Die Autonomie der Regimentsinhaber wurde zurückgedrängt, nach neuen verbindlichen Reglements werden die Waffengattungen Infanterie, Kavallerie und Artillerie einheitlich und professionell ausgebildet. Viele Erscheinungsformen des militärischen Lebens muten uns heute unverständlich, ja sogar fremd oder abstoßend an. Prügeln und Spießrutenlaufen wurden häufige und gängige Disziplinarmaßnahmen. Die Perspektive von oftmals zwangsausgehobenen und zum lebenslänglichen Militärdienst gepressten Soldaten sah eigentlich nur wenige Möglichkeiten vor: Tod auf dem Schlachtfeld oder als nicht mehr Dienstfähiger (oft Invalide) einen Lebensabend in bescheidenen Verhältnissen. Dass die Desertionsraten (übrigens in allen europäischen Armeen) oft über 20 Prozent lagen, gab vielen österreichischen Offizieren zu denken.

Im Artilleriereglement von 1757 war festgelegt, dass „durch Ehrliebe und gute Begegnungen als mit Brutalität, unzeitgemäßen Schlagen und Prügeln die Leute zur Vollziehung ihrer Pflichten anzuhalten“

wären. Oberst Gideon Ernst v. Laudon hatte durch die geschickte „Menschenführung“ in seinem Likaner-Grenzerregiment und später als Kommandant eines Korps nur wenige Desertionen zu verzeichnen. Motivation, Fürsorge, gute Behandlung der Soldaten - in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff „Menschenführung“ zusammengefasst - ist hier schon, wenn auch nicht generell, erkennbar und angewandt. Sicher ist, dass bei aller Unvollkommenheit dieser Maßnahmen ein Weg beschritten worden war, der ein Instrument schuf, das erstmals bei Kolin seine Qualitäten bewies. Das österreichische Heer der Jahre 1756 bis 1762 war mit jenem des Jahres 1741 nicht mehr zu vergleichen. Der Versuch, die 1745 an Preußen verloren gegangene reiche Provinz Schlesien wiederzugewinnen wurde politisch durch Graf Kaunitz vorbereitet. Frankreich und Rußland schlossen sich in Bündnissen Österreich an, während England an Preußens Seite trat. Freidrich II. wollte jedoch die befürchtete Einkreisung nicht abwarten. 60.000 Mann, preußische Truppen brachen in das neutrale Sachsen ein, zersprengten die sächsische Armee und zwangen sie am 15. Oktober bei Pirna zur Kapitulation. Teile der sächsischen Kavallerie konnten sich zu den Osterreichern unter Feldmarschall Browne durchschlagen, der den Preußen bei Lobositz schon ein erfolgreiches Gefecht geliefert hatte, nach dem der preußische König feststellen musste: „Das sind nicht mehr die alten Österreicher“. Wie im 18. Jahrhundert üblich, bezogen beide Seiten nun Winterquartiere. FM Browne, der dem Oberbefehlshaber Prinz Karl v. L. unterstellt war, wurde von dem, ab Mitte April 1757 beginnenden Vormarsch der Preußen, überrascht.

Am 5. Mai stand Freidrich II. mit seinen Truppen vor Prag, schlug die Österreicher schwer und schloss sie in Prag ein. Browne wurde tödlich verwundet in die Stadt gebracht. FM Graf Daun zeigte sich nun als meisterhafter Stratege. Er zog alle verfügbaren Kräfte, darunter auch das aus Grenzern und Husaren bestehende Korps unter General der Kavallerie Franz Graf Nadasdy, an sich. Die preußischen Belagerungstruppen wurden durch österreichische Kavallerieverbände und Ausfälle der Besatzung so sehr beunruhigt, dass ein Fall der Stadt in absehbarer Zeit unwahrscheinlich schien. So rückte Friedrich mit fast 35.000 Mann nach Osten, den Österreichern entgegen. In den frühen Morgenstunden des 18. Juni kam es an der Kaiserstraße in Prag zu den ersten Gefechten. FM Daun hatte bereits den Höhenrücken parallel zur Straße zwischen Pobor und Krechor besetzen lassen, eine wohl vorzügliche Verteidigungsstellung, bei der allerdings den Preußen die Initiative überlassen werden musste. Bis 13 Uhr hatten die preußischen Verbände ihre Angriffspositionen parallel zu den Österreichern eingenommen. König Friedrich hoffte, die Österreicher mit seinem rechten Flügel umfassen zu können, doch wurden die Kämpfe im Zentrum immer heftiger, wo die preußische Infanterie unter dem Feuer der österreichischen Artillerie entsetzliche Verluste hinnehmen musste. Eine Frontalschlacht hatte sich entwickelt. Nach zwei Frontalangriffen auf die Prerovskyhöhe musste der preußischen König eingestehen: „Die kaiserlichen Grenadiere sind eine bewunderungswürdige Truppe, sie verteidigen eine Höhe, die meine beste Infanterie zu nehmen nicht imstande war“. Drei weitere Sturmangriffe führte der preußische König persönlich an - nur noch vierzig Mann folgten ihm - einige fielen, der Rest lief zurück. Der König soll damals den bekannten Ausruf getan haben: „Hunde, wollt ihr ewig leben?“ Sein Adjutant soll ihn daraufhin gefragt haben, ob er nun die österreichischen Batterien alleine stürmen wolle. Verzweifelt ging der preußische König zurück. Um 18 Uhr war der Kulminationspunkt erreicht. Mehrere schwere Frontalangriffe der preußischen Infanterie waren nicht durchgedrungen, aber die österreichischen Verbände begannen zu wanken. Ein preußischer Kavallerieangriff riss noch einmal Lücken in die dichten Reihen.

Ein entschlossener Stoß - von welcher Seite immer auch - würde nun die Entscheidung bringen. Das aus zahlreichen jungen Wallonen bestehende Dragonerregiment „de Ligne“ brannte auf den Einsatz. Oberst Thiennes bat FM Daun mehrmals, angreifen zu dürfen: „Mais vous ne ferez pas grand chose avec vos blanc becs“ - „Aber sie werden mit Ihren Grünschnäbeln nicht viel ausrichten“, soll DAUN skeptisch bemerkt haben. Im Getümmel war kaum noch eine geordnete Befehlsübermittlung möglich - und da stürzte sich ein sächsisches Cheveauxleger-Regiment (Prinz Karl) unter Oberst Benckendorff auf die Preußen. Und wenige Augenblicke später gab Oberst Thiennes den Angriffsbefehl an sein Regiment. Alle verfügbaren Reiter folgten ihm. 80 Schwadronen, etwa 8000 Kavalleristen - sächsische Cheveauxleger, österreichische Dragoner und Husaren preschten in die gegnerische Infanterie hinein und zermalmten sie regelrecht. Um 19.30 Uhr zogen sich die Reste der preußischen Verbände über Planian nach Westen zurück. Mehr als ein Drittel der Soldaten lag tot oder schwer verwundet auf den Höhen von Krechor, war in Panik desertiert oder gefangen. Auch 10.000 Österreicher und Sachsen waren getötet oder verwundet worden. Die Bilder Adolf von Menzels zeigen uns das Grauen auf dem Schlachtfeld in der folgenden Nacht: schlecht versorgte Schwerverwundete, von denen viele den Sonnenaufgang nicht mehr erleben sollten. Nur 48 Stunden später wurde die Belagerung von Prag von den preußischen Truppen aufgehoben. Der Nimbus der Unüberwindlichkeit war gebrochen, doch der preußische König dachte nicht daran, aufzugeben. Er konnte über Franzosen und Reichstruppen bei Roßbach in Thüringen im November und bei Leuthen im Dezember über die Österreicher unter Karl von Lothringen siegen. Zweifellos kann hier nur auf eine Reihe von Erfolgen hingewiesen werden, die zeigen, dass dem preußischen Heer ein Gegner erwachsen war, der bei Hochkirch im Oktober 1758, bei Kunersdorf im August 1759 und bei Maxen im November 1759 siegreich blieb. Die entschlossene Führung der preußischen Truppen brachte aber nach dem Ausscheiden Rußlands aus der Koalition und den schweren Niederlagen, die Frankreich in einem fast globalen Krieg gegen England erlitten hatten, den Umschwung. Im Frieden von Hubertusburg am 15. Februar 1763 musste Österreich das Verbleiben Schlesiens bei Preußen anerkennen. Es bleibt jedoch festzustellen, dass Österreich durch frühere Pläne Friedrichs II. unter Umständen schwerere territoriale Verluste erlitten hätte, wenn sich das österreichische Heer nicht so tapfer geschlagen hätte. Im Handschreiben der Kaiserin wurden vier Tage nach der Schlacht von Kolin die Statuten des Militär-Maria-Theresien-Ordens bekannt gegeben. Die erste Ordenspromotion fand am 7. März 1758 in der Wiener Hofburg statt. FM Prinz Karl von Lothringen und FM Leopold Graf Daun erhielten das Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens, ebenso wurde angekündigt, dass auch General Franz Graf Nadasdy und FM Andreas Graf Hadik den Orden für ihre Waffentaten im Jahr 1757 erhalten würden. Auch zehn Offiziere wurden für ihre Taten in der Schlacht von Kolin im Lager von Skalitz am 23. April 1758 zu Rittern des Ordens promoviert. Leistung, Verdienst und Auszeichnung stehen damit für Kolin in einem engen Zusammenhang. Der Wendepunkt von Kolin zeigte aber den Mut und die Kampfkraft eines Heeres, das nun den Vergleich mit Streitkräften anderer Staaten nicht mehr zu scheuen brauchte. Die „Grünschnäbel“ hatten entscheidend bei Kolin eingegriffen und daher sollte man diesen Begriff seit 234 Jahren auch wohl mit einem anderen Inhalt verbinden.

Meine Herren! Möge es uns allen erspart bleiben, bewaffnete Auseinandersetzungen in Europa vor der Jahrtausendwende miterleben zu müssen. Hoffentlich können die Angehörigen des Jahrgangs Kolin zum Wohle der Republik in vielen Friedensjahren in stiller und treuer Arbeit wirken. Sollte aber einmal Gefahr für diesen Staat auftauchen, so werden die Angehörigen des Jahrgangs selbstverständlich zur Stelle sein. Dieser Wunsch leitet nicht nur ihre Vorgesetzten, sondern auch zahllose Österreicher - die wohl nicht immer die Lautesten sind - aber wohl die Mehrheit der Bevölkerung stellen.

Laudatio von Dr. Wolfgang Etschmann