Namenspatron - Kinsky


Franz Joseph Kinsky von Wochenitz und Tettau

„Krieger und Weltweiser in einer Person, der dem Staat mit der Feder und dem Degen dient, in beiden Fächern unter die geübtesten Männer gehört und sich bereits große Verdienste gesammelt hat. Jede Stunde, die ihm sein Beruf übrig lässt, schenkt er den Wissenschaften. Sein angenehmster Zeitvertreib ist die Lektüre und der Umgang mit Männern der Wissenschaften. Er besitzt tiefe Einblicke in die Mathematik und die Naturkunde. Von seiner großen Menschenkenntnis, sei- nem durchdringenden Verstand und seinem Eifer für die Aufklärung zeigt seine `Erinnerung über einem wichtigen Gegenstand von einem Böhmen´.“

Diese Worte über einen Offizier, Lehrer und Erzieher, der in vielen Bereichen auch jeden Vergleich mit Schriftstellern und Gelehrten der Aufklärung in Europa nicht zu scheuen braucht, wurden schon vor 206 Jahren geschrieben.

Zweifellos ist in unserer kritischen Zeit mit sehr viel Lob auch viel Skepsis verbunden. Ist es tatsächlich so, dass Feldzeugmeister Franz Josef Kinsky von Wchnitz und Tettau für uns heute, im Zeitalter von ziviler und militärischer Hochtechnologie, diffizilen soziologischen Untersuchungen von hierarchischen Strukturen und mo- dernen psychologischen Methoden, Vorbild sein und Interesse wecken kann?

Werfen wir doch einen Blick auf verschiedene Stationen seines Lebens und versuchen wir, so schwer das nach zwei Jahrhunderten auch sein mag, die wesentlichen Leistungen dieses Mannes zu erkennen.

Der am 6. Dezember 1739 geborene Franz Josef schien vorerst überhaupt keine Beziehungen zum Militär der Habsburgermonarchie zu haben. Eine gute Ausbildung im Elternhause und der Theresianischen Ritterakademie in Wien, erfolgreiche Studien der Jurisprudenz in Prag und die folgende Tätigkeit des kaum Zwanzigjährigen am Appellationsgericht seiner Heimatstadt wiesen aber auf eine glanzvolle zivile Karriere hin. Es mag sein, dass die Erfolge seines Bruders Josef, der damals Kommandant des Chevauxleger-Regiment Nr. 2 und bereits mit dem Militär-Maria-Theresien-Orden ausgezeichnet worden war, ihn so beeindruckt hatte, dass er sich am Höhepunkt des Siebenjährigen Krieges, im Jahre 1759, zum Regiment seines Bruders meldete. Noch im gleichen Jahr trat er in das Infanterieregiment Graf Lacy (später Nr. 22) als Unterleutnant ein und wurde schon im folgenden Jahr durch Stellenkauf Hauptmann. Im konkreten Fall sollte sich bald zeigen, dass mit der nicht immer brauchbaren damaligen Praxis des Kaufes von Offiziersstellen ein wirklich fähiger Mann für die Armee gewonnen worden war.

Mit 29 Jahren kommandierte er das Infanterieregiment Gaisruck (später Nr. 42) in dem er auf eigene Kosten eine Kadettenschule unterhielt und selbst die naturwissenschaftlichen Fächer unterrichtete. Schon hier zeigt sein Streben, allgemeine Bildung und militärische Fachausbildung zu vereinen und in jedem Bereich, in dem er selbst tätig war, diese Ziele zu verwirklichen. Wenn auch die Ideen der Aufklärung sich in Österreich nur langsam und nicht so vollständig wie in anderen Staaten Europas durchsetzten so wurde doch unter der Regentschaft Maria Theresias eine Belebung des zivilen und militärischen Bildungswesens eingeleitet, die bis heute ihre Auswirkung zeigt.

Der moderne Staat mit geordneter Verwaltung, expandierender Wirtschaft und militärischer Sicherheit kann damals wie heute ohne hervorragend ausgebildete Spezialisten und einer Bevölkerung mit einem angemessenen Bildungsniveau nicht existieren.

Maria Theresia hatte die Fähigkeiten Kinskys im Bildungsbereich früh erkannt und ihn bereits am 7. September 1770 zum Generalmajor befördert. In den folgenden Jahren zeigte sich auch sein Talent bei der Lösung der Probleme, die bei der nun organisierten Einrichtung von Kasernen für die Infanterie, die Kavallerie (die auch ausgedehnte Stallungen benötigte) und der Artillerie auftraten. Seine Studienbesuche an der Militärakademie des Herzogtums Württemberg in Stuttgart, veranlassten ihn nach Vorträgen bei Kaiser Josef II. und Ermunterung durch denselben im November 1777, in Hinblick auf eine verbesserte Ausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wr. Neustadt auch die berühmten Erziehungsanstalten in der Schweiz, nämlich jene des Freiherrn von Salis-Soglio und jene Pestalozziss zu besuchen. Ohne Zweifel dürfte Letztere auf ihn großen Eindruck gemacht haben, da er schon im März des folgenden Jahres an den Kaiser schrieb: „... dass man in Erziehungsinstituten mehr auf die Herzensausbildung als auf die Gelehrsamkeit allein Rücksicht nehmen müsse”.

Noch bevor Kinsky an weitere Arbeiten im Bereich der Ausbildung gehen konnte, wurde er erneut zu einem militärischen Einsatz berufen: Der Versuch Österreichs, Bayern gegen die österreichischen Niederlande zu tauschen, um nach dem Aussterben der Hauptlinie der Wittelsbacher das österreichische Staatsgebiet zu arrondieren und auch zu vergrößern, rief den alten Rivalen König Freidrich II. von Preußen auf den Plan. Am 3. Juli 1778 erklärte dieser den Krieg an Österreich und rückte in Böhmen ein. Obwohl große Schlachten in diesem oft als
„Zwetschkenrummel” und „Kartoffelkrieg” bezeichneten militärischen Konflikt ausblieben und beide Heere hauptsächlich logistische Fragen zu lösen hatten, gab es doch einige Gefechte im böhmischen und schlesischen Grenzgebiet, bei denen Graf Kinsky eine nicht unbedeutende Rolle spielte. So gelang es ihm am 18. Jänner 1779 mit seinen Truppen beim Überfall auf die preußisch besetzte Ortschaft Halberschwerdt, einen preußischen General, den Landgraf von Hessen-Philipp- stthal und fast 800 weitere preußische Offiziere und Soldaten gefangen zu nehmen.

Der Krieg ging - auf Einlenken von Ma- ria Theresia am 13. Mai 1779 mit dem Frieden zu Teschen zu Ende und brachte Österreich das ehemals bayrische Innviertel. Nur zwei Monate später, als Feldmarschall Baron Hannig sein Kommando als Lokaldirektor der Theresianischen Militärakademie niedergelegt hatte, trat Graf Kinsky diese Stelle an. Mit großem Elan ging er an die Arbeit, denn er wollte - wie vielleicht Kaiser Josef II. im ganzen Staate - vieles in kurzer Zeit an der Akademie verbessern.

Charakterbildung und Zuwendung an jeden einzelnen, vielleicht manchmal schwierigen Zögling ging einher mit körperlicher Ertüchtigung und intensiver Ausbildung bei Felddienstübungen, die wohl nicht heutigen Übungen entsprechen, aber realitätsnäher als die vorherigen waren. Selbstwertgefühl ohne Überheblichkeit und Identifikation („corporate identity“ würde man heute sagen) sollten gehoben werden.

Die Stiftung einer Fahne für die Theresianische Militärakademie, die am 23. Mai
1780 stattfand, bedeutete eine Aufwertung und ein Symbol der Zuneigung der Regentin zu „ihrer” Akademie, deren Aufstieg unter Graf Kinsky sie jedoch nicht mehr erleben konnte. Kaiser Josef II., der Kinsky schätzte und immer wieder zur Begleitung auf Auslandsreisen heranzog, hatte am 18. April 1786 einen Stiftsbrief erlassen, der vor allem die Aufnahme der Zöglinge nach Kinskys Vorschlägen regelte.

Kinskys Schriften, besonders seine „Elementarbegriffe von Dienstsachen”, „Etwas für Weltrekruten” aus dem Jahre 1786 und „Allgemeines Prinzip zur militärischen Erziehung” sind nur Teil seines schriftstellerischen Wirkens, das nicht nur auf das Militärische, sondern auch auf Naturwissenschaftliche Themen, wie Mineralogie und Geographie, Bezug nahm. Als Mitglied der Böhmischen Akademie der Wissenschaften, das seine umfangreiche Privatbibliothek der Prager Bibliothek spendete, gehörte er zu den bekanntesten Gelehrten Böhmens im ausgehenden 18. Jahrhundert. In den letzten fünfzehn Lebensjahren leistete Graf Kinsky mehr Dienst im Feld, als es sein angegriffener Gesundheitszustand erlaubte. Im Türkenkrieg von 1788 bis 1790 und in den Kämpfen gegen das revolutionäre Frankreich in den Jahren 1793 und 1795 musste er seine geliebte Akademie und seine Zöglinge, die er als seine Söhne betrachtete, verlassen.

Allzu viele kehrten aus den jahrelangen Kriegen gegen Frankreich nicht zurück. Kaiser Franz schätzte Graf Kinsky, der ihm im Türkenkrieg als väterlicher Begleiter und Freund gedient hatte, ebenso wie sein Onkel.

Bis zu seinem Tod am 9. Juni 1805 war Graf Kinsky Ratgeber des Kaisers gewesen. Sein 1827 errichtetes Denkmal erinnert an den Mann, der Ausbildung und Erziehung als Herzensangelegenheit betrachtete und auch praktizierte.

Das Erkennen und Aufnehmen des ganzen, einem anvertrauten Menschen, ihm schrittweise Ziele durch vernünftiges Vorführen und Vorleben erstrebenswert zu machen, ist heute wie damals wahrscheinlich die schwierigste, aber auch schönste Aufgabe aller an der Theresianischen Militärakademie Lehrenden geblieben.

Ein Vierteljahrhundert konnte Kinsky in Wiener Neustadt wirken. Dadurch wurden neue, wertvolle Generationen von Offizieren geprägt, denen er nicht nur Ausbildung vermittelte, sondern auch persönliche Tapferkeit vorlebte. Viele seiner Ideen und umgesetzten Werte bleiben sicher zeitlos - denn der Auftrag, die allgemein gültigen Grundsätze der Charakterbildung und dem Erwerb von militärischen Fähigkeiten im späten 18. Jahrhundert mit den heutigen Qualitäten von Menschenführung und „Military Leadership” am Ausgang des 20. Jahrhunderts in Einklang zu bringen, regen uns doch zum Nachdenken an. Dieses Nachdenken kann wohl nur eine vorsichtige Annäherung an die Person Franz Josef Graf Kinskys sein, die wie wenige geeignet erscheint, einem Jahrgang der Theresianischen Militärakademie ihren Namen zu geben.

Möge der Entschluss, den der Jahrgang gefasst hat, ein Ansporn zu geistiger Regsamkeit sowie zur Liebe zum gewählten Beruf des Offiziers und zum Vaterland Österreich sein.