Namenspatron - Kaiser Maximilian


Kaiser Maximilian I.

Ritter sind am Ende des 20. Jahrhunderts wohl schwer zu finden. Im Alltagsleben mögen ritterliche Tugenden oft als antiquiert erscheinen, militärische Ritterlichkeit wird oft als Schwäche abgetan und belächelt.

Wohin sind eigentlich die klassischen Ritterideale gegangen, über die Barbara Tuchmang in ihrem wundervollen Buch „Der ferne Spiegel” schreibt. „Das Rittertum war mehr als ein bloßer Verhaltenskodex für Liebe und Krieg, es war ein gesamtes moralisches System, welches das Leben der Adeligen bestimmte”. Da aber die tatsächliche Lebensweise eines Ritters mit der christlichen Lehre oft ebenso wenig übereinstimmte wie die der Kaufleute, wurde mit Hilfe gelehrter Benediktiner eine Doktrin entwickelt, die den Schwertarm des Ritters theoretisch in den Dienst der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, der Kirche, der Witwen und Waisen stellte. Aber genau wie das Kaufmannstum konnte auch das Rittertum von der Kirche oft nicht im Zaum gehalten werden. Es brach aus den abgesegneten Bahnen aus und entwickelte seine eigenen Gesetze. Die Tapferkeit, jene Mischung aus Mut, Stärke und Geschicklichkeit, die einen „chevalier preux” ausmachte, war das Wichtigste. Das Schwert bot dem Adeligen die Möglichkeit einer gezielten Tätigkeit, es konnte ihm Ruhm verschaffen, Ansehen und, wenn er Glück hatte, auch materiellen Gewinn. Wenn kein echter Konflikt greifbar war, zog er zu den Turnieren, die die teuerste, ruinöseste aber auch aufregendste Beschäftigung sein konnten. Ruinös war sie für das Rittertum nicht zuletzt deshalb, weil die genauen Regeln über Jahrzehnte das Erkennen der langsamen, aber nichts desto weniger dra- matischen Veränderungen in der Wehrorganisation und der Taktik verhinderte, was durch katastrophale Niederlagen der Ritterheere auf den Schlachtfeldern bestätigt wurde.

Vielleicht kann auch das Leben eines Menschen am Ausgang des Mittelalters und am Beginn der Neuzeit, die massive gesellschaftliche und politische Veränderungen brachte, nicht nur für faszinierende Gedankenspiele, sondern auch ein - wenn auch nicht immer leicht zu erkennendes - Vorbild sein.

Mitteleuropa war auch vor mehr als fünfhundert Jahren durch ständig neue und große Konflikte geprägt. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation stand unter dem Druck des Osmanischen Reiches vom Osten her einerseits, und auch im Konflikt mit der erstarkten Zentralmacht Frankreichs andererseits. Um des jungen Maximilians Erbe von Burgund tobte ein Krieg, in dem erst die Schlacht von Guinegate am 7. August 1479 eine erste Entscheidung bringen sollte. Und als der junge Maximilian, knapp 20-jährig, vom Pferd steigt und mit dem burgundischen und flämischen Fußvolk in erster Linie das französische Heer schlägt, so bedeutet dies nichts weniger als eine Evolution der modernen Infanterietaktik dieser Zeit, die sich schon bei Crecy 1346, Sempach 1386 und Agincourt 1415 abzuzeichnen begann. Der Weg vom Schweizer Söldner zum Landsknecht zum zunftmäßig organisierten Kriegsfreiwilligen des früheren 16. Jahrhunderts war beschritten.

Ja, man könnte bei Maximilian wohl vom ersten und höchsten Landsknecht des Reiches sprechen, oder auch vom späteren Kaiser, der zum damals modernsten Infanteristen - zumindest zeitweise - geworden war.

Sicherlich hat der Begriff „Landsknecht” heute einen sehr wohl negativen Beigeschmack, doch unter Maximilian war damit wohl eine effektive Militärorganisation zu verstehen. Sehr bald hatte Maximilian erkannt, dass ihm auch Truppen mit besserer Stoßkraft und weit reichenden Waffen zur Verfügung stehen mussten, um auf dem Schlachtfeld bestehen zu können. Der schwergewappnete „Kyrisser” und der leichte Lanzenreiter stellten neue Gattungen der Reiterei dar. Wohl die populärste Vorstellung ist jene vom Erfinder der Artillerie Kaiser Maximilian, so unrichtig sie auch ist. Die Erhöhung der Mobilität der Belagerungsartillerie, den „Mauerbrechern”, die in Hauptstücke, Scharfmetzen, Kartaunen, Viertelbüchsen und Basilisken, sowie der Feldartillerie, die in Notschlangen, Feldschlangen und Falkonetten eingeteilt war, wies auf die steigende Bedeutung der schweren Feuerwaffen hin.

Auch der Unterschied zwischen den Geschützgießern und den Büchsenmeistern, erzeugenden und praktizierenden Artilleristen, bildete sich ab 1450 stark heraus. Wenn auch keine Erfinderrolle konstruiert werden kann, so kann Maximilian doch auch als einer der wichtigsten Wegbereiter für die Modernisierung der Kampftruppen der drei Hauptwaffengattungen gelten.

Seine Versuche, eine Wehrverfassung für die habsburgischen Erbländer zu erlassen, waren in Tirol besonders erfolgreich. Das „Land-Libell” von 1511 sollte für drei Jahrhunderte Grundlage der territorialen Gebundenheit der Tiroler Landerweiterung werden.

So sehr Kaiser Maximilian bei militärischen Neuerungen erfolgreich war, so scheiterten doch seine meisten politischen Konzepte. Die Reform des Reiches, dessen Zersplitterung durch die Eigenmächtigkeiten der Fürsten und Stände zu Beginn des 16. Jahrhunderts wieder einen Höhepunkt erreichen sollte, gelang nur unvollkommen. Mehr als gedacht, sollte der Kaiser mit seiner Zentralmacht schwächer werden, ein Prozess, der Maximilians ehrliches Streben nach Frieden im Reich und Besinnung auf äußere Bedrohungen vergebens werden ließ und ebenfalls nach drei Jahrhunderten mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches endete.

Seine Pläne Norditalien wieder stärker an das Reich zu binden, waren durch die stolzen norditalienischen Stadtstaaten und Fürstentümer bald zum Scheitern verurteilt. Daran änderte auch seine zweite Heirat mit der Nichte von Lodovico il Moro von Mailand nichts. Im Gegensatz zur harmonischen Beziehung mit Maria von Burgund brachte diese aus Staatsraison geschlossene Ehe außer einer staatlichen Mitgift nur wenig.

Maximilians Italienzüge waren wegen der Stärke seiner Gegner Frankreich und Venedig wenig erfolgreich, wobei noch Geldmangel zu Meutereien seiner Landsknechte führte. Politisch bedeutend war wohl aber die Kaiserproklamation am 4. Februar 1508 im Dom von Trient, ohne kirchliche Handlung und ohne die seit Kaiser Karl dem Großen symbolträchtige Krönung durch den Papst. Dieser Julius II. gilt heute noch als Symbol des streitbaren Herrschers des Kirchenstaates, der als klassischer machtbewusster Renaissancefürst militärische Mittel einsetzte, um diesen gegen Frankreich und den Kaiser mächtiger zu machen.

Noch einmal, 1513, vierunddreißig Jahre nach seinem ersten Sieg mit einem Heer bei Guinegate, kehrte Maximilian auf eben dieses Schlachtfeld zurück, um es, verstärkt durch englische und Schweizer Hilfstruppen als Sieger gegen Frankreich zu verlassen.

Trotz der langwierigen Kriege fand er noch Zeit durch eine zähe Verhandlungspolitik mit Ungarn zu einer dynastischen Politik zusammen zu finden, die in den Beschlüssen des Wiener Kongresses im Jahr 1515 endgültig festgelegt worden waren, von der eine neue geographische, ja strategische Orientierung des habsburgischen Herrschaftsraumes ausgehen sollte. Die Erwerbung Böhmens und Ungarns durch die geplante Doppelhochzeit der Enkel Maximilians Ferdinand und Maria mit Anna, bzw. Ludwig aus dem Jagiellonengeschlecht führte zu einer Hinwendung nach Osten, die sehr bald zum Konflikt mit den nach Zentraleuropa vordringenden Türken führen sollte. Immer wieder träumte Maximilian vom großen Kreuzzug gegen die Türken, der allerdings nie zustande kam.

So erfolgreich seine Heiratspolitik war, so glücklos verliefen seine letzten Lebensjahre. Seine Förderung von Kunst und Literatur soll hier nur erwähnt werden, da sie ihn bis zu seinem Tod begleitete. „Innsbruck, Dich muß ich lassen”, steht nicht nur als Symbol für den traurigen Auszug aus der Tiroler Landeshauptstadt, die ihn wegen seiner Finanzpolitik mehr oder weniger hinauswies, sondern auch für das Abschied nehmen eines kranken und deprimierten Menschen, der viele Träume nie verwirklichen konnte.

Der vom Tod Gezeichnete stirbt auf der Reise nach Wien in Wels am 12. Jänner 1519, nicht ohne vorher ein Testament verfasst zu haben, bei dessen Bestimmungen über die äußerst schlichte Be- handlung seines Leichnams der heutige Mensch erschrocken ist. Eine weitere testamentarische Verfügung, die fordert, dass sein Herz dem Leichnam entnommen werden sollte und neben seiner ersten Frau Maria von Burgund in Brügge beigesetzt werden sollte, sollte man als symbolische Handlung eines liebenden Menschen sehen, die trotz seiner oft kompromisslosen Haltung im europäischen Kräftespiel ergriffen macht.

Die Beisetzung Maximilians in der St. Georgs-Kirche am 3. Februar 1519 beendete seinen langen Weg durch Europa als Visionär einer europäischen Zentralmacht, der er vor allem als weltlicher und vielleicht auch als geistlicher Herrscher vorstehen sollte.

Heute würde wohl Maximilians Plan des Jahres 1516, selbst die Papstkrone anzustreben, Kopfschütteln auslösen. Jedoch ist dieses Streben nur von der Ideenwelt des Mittelalters, das eine geistlich-weltliche Einheit in der Person des Kaisers sah, zu verstehen.

Maximilian träumte von einem einheitlichen mitteleuropäischen Imperium, dessen Ausstrahlung durch seine Politik bis an den Atlantik reichen sollte. Spaniens Einfluss in diesem Raum führte wohl nicht zufällig zu einer Machtausdehnung über den Atlantik hinweg, die auch bei einer durchaus kritischen Betrachtung zu dieser Expansion, zu einer ungeahnten Erweiterung des Horizontes und zu einem neuen Weltbild führen sollte. Dieses neue Weltbild wurde auch durch Wissenschaftler und Künstler des Humanismus geformt, die Maximilian um sich sammelte. Konrad Celtis, Johannes Cu- spinian und Konrad Peutinger seien hier nur als wichtigste genannt.

Die Realpolitik der vier Jahrzehnte von 1479 bis 1519 hat wohl gezeigt, dass der Krieg auch bei Kaiser Maximilian nicht die „ultima ratio”, sondern das erste und ursprünglichste Mittel war. „Die Politik der Verhandlungen blieb hinter der des Schwertes weit zurück, das alle Knoten zu lösen schien”, wie es Hermann Wiesflecker knapp und treffend formuliert. Sicher ist diese Politik wenig mit den Idealen des Abendlandes der letzten beiden Jahrhunderte in Einklang zu bringen. Immerhin liegen rund fünf Jahrhunderte zwischen den damaligen Idealen und Relationen.

Vielleicht finden wir wieder „ritterliche” Motive für den Soldaten der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts, für den „miles protector” den der schweizer Divisionär Gustav Däniker beschreibt, den schützenden und helfenden Soldaten, der den hungernden oder vom Genozid bedrohten Volksgruppen oder Völkern auch mit angemessener Gewalt gegen räuberische Marodeure und mordgierige Banden das Überleben sichert.

Der selbstbewusste, tapfere, aber auch zweifelnde und philosophierende Kaiser Maximilian I. blickt uns aus einem sicher „fernen Spiegel” entgegen - hier in der Burg zu Wiener Neustadt. Wie Sie versuchen, meine Herren, sich seinen Gedanken und seinen Handlungen zu nähern, muss wohl jedem einzelnen von Ihnen überlassen bleiben.

Wie Maximilian über das Kriegswesen seiner Zeit nachgedacht hat, so bleibt es auch keinem Offizier heute erspart, über seine Position und die Position des Militärs in einer sich rasant ändernden Welt nachzudenken und auch zu vertretbaren Ergebnissen zu kommen - und dies schon am Anfang seines Berufsweges, der Enttäuschungen und Niederlagen, aber auch Befriedigung und Erfolge bringen wird. Diese Erfolge möchte ich den Angehörigen des Jahrganges Kaiser Maximilian I. von ganzem Herzen wünschen.

Es lebe das österreichische Bundesheer, Es lebe die Theresianische Militärakademie, Es lebe der Jahrgang „Kaiser Maximilian I.“

Laudatio von Dr. Etschmann anlässlich der Übergabe der Jahrgangsabzeichen am 12. Jänner 1993.